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Wegfall des Familienzuschlages des kindesunterhaltspflichtigen Elternteils in getrennten Beamten-Elternpaaren widerspricht dem Alimentationsprinzip

Aus dem Beamtenbesoldungsrecht in Verbindung mit dem Unterhaltsrecht ergibt sich in meinem Fall eine Unzumutbarkeit: Es widerspricht dem Alimentationsprinzip, dass ich, zur Bezahlung des Kindesunterhalts für meine drei Kinder, auf familien-neutrale Gehaltsbestandteile zurückgreifen muss, da mir für diese kein Familienzuschlag zusteht.

Dieser Fall tritt gleichartig immer dann auf, wenn sich kinderreiche Beamten-Elternpaare trennen und hat somit vermutlich über meinen Einzelfall hinaus grundsätzliche Bedeutung für das Beamtenrecht in Deutschland. Abhelfen kann, meinem Verständnis nach, nur der Gesetzgeber. 

Im folgenden führe ich diese Behauptung im Detail aus.

1. Rückgriff auf familienneutrale Gehaltsbestandteile zum Kindesunterhalt ist nicht zumutbar

Mit Aktenzeichen 2 BvL 6/17 beschloss das Bundesverfassungsgericht im Jahr 2020 u.a. den folgenden Leitsatz:
„Der Dienstherr ist aufgrund des Alimentationsprinzips (Art. 33 Abs. 5 GG) verpflichtet, seinen Richtern und Beamten sowie ihren Familien einen amtsangemessenen Lebensunterhalt zu gewähren. Deshalb kann bei der Beurteilung und Regelung dessen, was eine amtsangemessene Besoldung ausmacht, die Anzahl der Kinder nicht ohne Bedeutung sein. Sind die Grundgehaltssätze so bemessen, dass sie zusammen mit den Familienzuschlägen bei zwei Kindern amtsangemessen sind, darf Richtern und Beamten nicht zugemutet werden, für den Unterhalt weiterer Kinder auf die familien-neutralen Bestandteile ihres Gehalts zurückzugreifen.“

Nach einem Leitsatz zu einem früheren Beschluss des Bundesverfassungsgerichts von 1998 ist außerdem der „Dienstherr […] aufgrund des Alimentationsprinzips (Art. 33 Abs. 5 GG) verpflichtet, den Beamten amtsangemessenen Unterhalt zu leisten. Dies umfasst auch die Pflicht, die dem Beamten durch seine Familie entstehenden Unterhaltspflichten realitätsgerecht zu berücksichtigen.“ (BVerfG AZ 2 BvL 26/91).  

2. Verpflichtung zur Zahlung von Kindesunterhalt ohne Anspruch auf kinderbezogene Gehaltsbestandteile

Aus meiner geschiedener Ehe mit einer Beamtin des Landes Nordrhein-Westfalen gingen drei Kinder hervor (geboren 2010, 2013 und 2015). Da diese bei der Kindesmutter leben erhält die Kindesmutter Kindergeld und Familienzuschlag. Nach §40 (5) BBesG steht mir dagegen für keines dieser drei Kinder ein Familienzuschlag zu. Dennoch bin ich aufgrund §§ 1601 ff. BGB zur Zahlung von Kindesunterhalt verpflichtet und leiste diesen entsprechend der Düsseldorfer Tabelle.

3. Unterhaltsrecht erzwingt nicht-zumutbaren Rückgriff auf familien-neutrale Besoldungsbestandteile

Ich bin zur Zahlung von Kindesunterhalt verpflichtet, ohne einen eigenen Anspruch auf kinderbezogene Gehaltsbestandteile für diese Kinder zu haben. Um den Kindesunterhalt zu bezahlen bin ich somit zum Rückgriff auf meine familienneutralen Gehaltsbestandteile gezwungen. Dies widerspricht dem Alimentationsprinzip und darf mir, gemäß Beschluss des BVerfG aus 2020 (2 BvL 6/17, s.o.), nicht zugemutet werden. Auch werden meine Unterhaltspflichten entgegen dem o.g. Leitsatz des BVerfG aus 2018, AZ 2 BvL 26/91, überhaupt nicht berücksichtigt.

Leider erkennt das Bundesverfassungsgericht die Widersprüchlichkeit seiner eigenen Beschlüsse in dieser Sache bislang nicht. So entschied es 2003 unverständlicherweise in einem ähnlichen Fall wie meinem, die Nichtgewährung des Zuschlages sei verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden, da sie die amtsangemessene Alimentation nicht in Frage stelle (BVerfG AZ 2 BvR 1476/01). Wie kann das sein? Der Widerspruch zu dem oben genannten, eigenen Leitsatz aus 1998 (BVerfG AZ 2 BvL 26/91) ist, jedenfalls in meinen Augen, offensichtlich. Das Verfassungsgericht scheint also überfordert zu sein, diese Frage zu klären. Der Gesetzgeber muss von sich aus tätig werden um den zunehmenden Missständen im Familien- und Besoldungsrecht abzuhelfen.

4. Abhilfemöglichkeiten des Gesetzgebers

Da der Kindesunterhalt nach BGB alle in Trennung lebenden Eltern betrifft, die Festlegungen des §40 (5) BBesG aber nur den kleineren Kreis der in Trennung lebenden Beamten-Elternpaare, sehe ich die primäre Abhilfemöglichkeit in der Anpassung des §40 (5) BBesG. Um den aufgezeigten Widerspruch zum Alimentationsprinzip zu beheben, könnte der Familienzuschlag auf den Unterhalt angerechnet werden, analog zu der Regelung beim Kindergeld gemäß §1612b (1) BGB. Alternativ könnte der Dienstherr dem unterhaltspflichtigen Elternteil den kinderbezogenen Familienzuschlag (mglw. anteilig) unabhängig davon gewähren, ob der die Kinder betreuende Elternteil ebenfalls Beamtin bzw. Beamter ist. Geschickter wäre möglicherweise auch eine Kopplung des Familienzuschlags an die jeweils anrechenbaren Kinder-Steuerfreibeträge anstatt wie derzeit an das Kindergeld.

Kommentare

Daniel hat gesagt…

Hallo,
ich komme vom Forum "Öffentlicher Dienst".

Ich bin in einer ähnlichen Situation wie du. Drei Kinder (8, 6, 6), letztes Jahr getrennt (worden), weil Ex-Frau denkt, sie müssen in ihrem Leben aufräumen und ich auch im Weg war. Trennungsjahr ist vorbei, Scheidung bald vollzogen. Die Kinder sind bei ihr, habe sie aber jedes zweite Wochenende und an zwei Tagen in der Woche. Bin Dank einseitiger Arbeit des Jugendamtes auch der Zahlmeister, der sofort meldepflichtig ist, wenn er einen Euro mehr verdient, aber auf die Gnade anderer angewiesen ist, wenn es Einschnitten im bisherigen Gehalt kommt (neue Steuerklasse -400€, bald Ehegattenzuschlag weg, nochmal 100 Euro weniger, Kindergeld sowieso und natürlich mussten einige Dinge für den Haushalt angeschafft werden). Der einzige Unterschied zu dir ist, dass meine Ex keine Beamtin ist und man mir auch nach bald neuem Recht aufgrund Besitzstandwahrung den FZ für die Kinder belässt. Die Motivation, mehr zu verdienen ist natürlich gering und wird nur aufrechterhalten, durch die Hoffnung, dass der Durchlaufposten auch die Kinder erreicht. Das Familienrecht ist erschreckend pauschal und berücksichtigt nur sehr schlecht den Einzelfall. Es hat kein Händchen für den Ausgleich der Verhältnisse. Einer ist gefühlt immer der Gelackmeierte. Meine jetzige Freundin (alleinerziehend) erlebt es gerade umgekehrt. Kindsvater findet immer Wege, alles zu verzögern, hat die Finanzen nicht im Griff, was zur Folge hat, dass sie Unterhaltsvorschuss bekommt. Und da geht es in die andere Richtung. Sie bekommt viel zu wenig, als dass es für eine Mutter mit zwei Kindern angemessen wäre.
Deutschland ist bzgl. dem Wechselmodell noch sehr rückständig, dabei wäre es so einfach die Prezente der tatsächlichen Betreuung bei der Höhe des Unterhaltes mit zu berücksichtigen. Da ist das europäische Ausland schon deutlich weiter.
Fred Musterhut hat gesagt…
Hallo Daniel, vielen Dank für deinen Kommentar. Ich denke auch, dass im Familienrecht eine Modernisierung überfällig ist. Der Wechsel weg vom Residenzmodell hin zum Wechselmodell als gesetzlichem Normalfall wäre im Sinne der Gleichstellung geboten (vgl. RA Grahn in TAZ online vom 11.03.2023, https://taz.de/Sorgerecht-fuer-Kinder-nach-Trennung/!5917492/) und offenbar gemäß Europarat-Resolution 2079 ohnehin auch von Deutschland umzusetzen. Die derzeitige Bundesregierung möchte sich laut Koalitionsvertrag für das Wechselmodell im Familienrecht einsetzen. Davon ist bisher leider weit und breit nichts zu sehen, das finde ich sehr enttäuschend.
Paul hat gesagt…
Guten Tag!

Mir geht es ganz ähnlich. Ich habe einen Sohn, bin Beamter & die Kindsmutter auch.

Ich betreue meinen Sohn dank der vielen Ferien circa 44 %, das heißt er ist konkret zwei Tage unter der Woche & jeweils am Wochenende bei mir. Die Kindsmutter hat im gesamten Jahr 40 Schulnachmittage Mehrbetreuung inne.

Ich wünsche mir das Wechselmodell, aber die Kindsmutter verweigert dies (aus monetären Interessen). Nun hat sie zweieinhalb Jahre lang Aufenthaltsbestimmungsrecht eingeklagt, das Kindergeld & den Familienzuschlag beantragt & final Unterhalt eingefordert.

Mein Sohn ist sehr viel bei mir, weshalb ich Kinderzimmer & eine große Wohnung unterhalte, keinerlei finanzielle Zuwendungen erhalte & auch noch der Kindsmutter monatlich ihre Kosten für das Kind überweisen muss. De facto zahle ich doppelt. Und sie arbeitet wohl wissend stark reduziert.

Das fühlt sich nicht nur individuell ungerecht an, sondern ist maximal ungerecht. Die Leute im Bekanntenkreis greifen sich an den Kopf, dass so etwas möglich ist.

Auch der aktuelle "Vorstoß" zur Berücksichtigung von erhöhter Betreuungsleistung ist eine Schlag ins Gesicht für alle engagierten Väter. Das ist ein so minimaler Ausgleich, dass ist weder ein Anreiz noch eine Entlastung.

Es bedarf einer ganz klaren Bekennung zum Wechselmodell als erste Option bei einer Trennung. Nur wenn gravierende Gründe dagegen sprechen, sollte ein Residenzmodell etabliert werden.

Hat irgendjemand eine Idee, was sich in diesem Fall machen lässt. Ich würde am Liebsten das Land verklagen, damit wenigstens der Familien-Zuschlag dem Unterhalts-Zahlenden zugesprochen wird oder er zumindest eine hälftige Anrechnung (wie auch das Kindergeld) erfährt.

Fred Musterhut hat gesagt…
Hallo Paul, danke für deinen Kommentar.

Das mit dem "das Land verklagen" wurde schon versucht. Hier ein Paar einschlägige Entscheidungen:

BVerwG 2 B 76.11
Hier hat ein betroffener Richter in einer vergleichbaren Situation erfolglos bis zum BVerwG gekämpft (2011).

Auch interessant ist die Frage, ob es einen Ausgleichsanspruch zwischen den beiden Beamteneltern gibt, also auf Verrechnung des Familienzuschlags mit dem Unterhalt:

Oberlandesgerichts Oldenburg vom 14.12.2011 - 4 UF 119/11 -
Ausgleichsanspruch bejaht!

Das steht aber im Widerspruch zum bzw. wurde überholt von:

OLG Düsseldorf, 15.05.2014 - 2 UF 15/14
Kein Anspruch eines Ehegatten auf Auskehr kinderbezogener Familienzuschläge
ebenso:
BVerfG von Februar 2020 - 1 BvR 2297/18.

Sieht insgesamt so aus als hätte eine Klage keine Chance, die Sache ist durchprozessiert.
Ich bin fassungslos angesichts dieser himmelschreienden Ungerechtigkeit.

Man nimmt einfach hin, dass wir unterhaltspflichtigen Beamten (im Fall der FamZ-Konkurrenz) katastrophal schlecht (und aus meiner Sicht verfassungswidrig) alimentiert werden (nach Abzug des Unterhalts) und erwartet trotzdem weiterhin “volle Hingabe” von uns.

Das Wechselmodell als Standard wäre eine Lösung. Oder eine fundamentale Reform der familienbezogenen Besoldung. Nach beidem sieht es leider im Moment nicht aus.

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